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…für das lachende Auge

Ein chilenische Golgrube: McKinsey-Seminare in „Belated Managment“

Licht am Ende des Schachts für Krisen-Manager,
Grundlage: cc (by-sa) Nic McPhee

Unter all den internationalen Journalisten in der Atacama-Wüste fallen sie kaum auf: Kleine Gruppen von Managern, die nah am Geschehen sein wollen, die sehen wollen, wie Katastrophen die Herzen fliegen lassen. Die Unternehmensberatung McKinsey geht neue Wege: Krisen-PR-Seminare werden zum veritablen Umsatztreiber in der Berater-Branche. In den letzten Tagen der chilenischen Rettungsaktion sind viele Großkonzerne noch auf den Zug aufgesprungen: BP, chinesische Bergbaufirmen, die Brasilianer. Die Verantwortlichen dieser Welt gönnen sich einen Anschauungsunterricht der anderen Art.

John Cormick von McKinsey schafft es zunächst, seine sichtliche Selbstzufriedenheit in trockene Worte zu hüllen: „Die BP-Krise hat vielen Managern gezeigt, dass es sie persönlich treffen kann, dass ihr öffentlicher Ruf zerstört ist, wenn sie bei Katastrophen schlecht ins Rampenlicht geraten. Natürlich: Sie bekommen weiterhin Topjobs in den Boni-Firmen dieser Welt. Doch erklären Sie ihrer kleinen Tochter bei einem Opernbesuch mal, dass sie beim Hinein- und Hinausgehen den Hinterausgang nehmen müssen! Wir bieten Schulungen an, wie auch Katastrophen Dankbarkeit und Wertsteigerung generieren können und man als Manager sparen und doch in Würde leben kann. Chile ist momentan einfach das spannenste Beispiel für Belated Managment.“ ‚Belated Managment‘ bezeichnet die nachträgliche Wertschöpfung nach Krisen- und Katastrophen-Ereignissen.

Es sind besonders viele brasilianische Manager zum heutigen Seminar gekommen. Die Tiefseeöl-Bohrungen im Atlantik vor der brasilianischen Küste stehen kurz bevor, und man will im Brasilien der popularen Politik keine Fehler machen: Das Krisen- und Katastrophenmanagment hat für Präsident Lula höchste Priorität, erklärt mir ein Teilnehmer offen. Die anwesenden Chinesen sind leider nicht sehr gesprächig, unterhalten sich hauptsächlich leise auf chinesisch, sind jedoch auch an popularer Politik interessiert.

„Achten Sie darauf, was Überlebende nachträglich für einen PR-Effekt haben können. Fühlen Sie das?“ sagt die Seminarleiterin mit Büro-Outfit in der staubigen Wüste, während sie an einer glücklich vereinten Familie mit eigener Fotographen-Traube vorbeigeht, „sorgen Sie immer dafür, dass zumindest zwei drei Menschen das Unglück überleben und Sie haben das Heft in der Hand, können die Medienmeldungen quasi selber schreiben!“ Die gut gelaunte Managergruppe auf Betriebsausflug, die gerade dabei war, ihre Helmoutfits mit Fotohandys zu dokumentieren, wird ernst, glaubt etwas gelernt zu haben, nickt zustimmend und eifrig.

PR-Beratung und Teambuilding ist für McKinsey Neuland. Die Firma hat jedoch nach der Ölpest im Golf von Mexiko den Trend der Zeit schnell erkannt und die Nachfrage vorausgeahnt. Seit der Katastrophe für den Aktienkurs von BP und seinen Manager hat die Branche aufgehorcht; und McKinsey eingestellt: Weltweit sind es 76 neue MitarbeiterInnen im Bereich „Katastrophen-Tourismus“ – wie es im Unternehmen intern scherzhaft heißt. In der Unternehmensberatung ist man traditionell stolz auf die eigene Geschäftstüchtigkeit, denn sie bedeutet Glaubwürdigkeit im Kerngeschäft.

„Chile war ein Glücksfall“ gibt Cormick zu. Wir haben durch die Vermarktung der glücklicherweise langen Bergungszeit ein Wachstum von 89%. Zugegeben: von niedrigem Niveau aus, aber wir kennen die Firmen, die wir beraten und wissen woran sie auf unseren Rat hin gespart haben. Besoners die BRIC-Staaten sind für den Belated Managment ein riesiger Wachstumsmarkt.“ Auf seinem Beamer wechseln sich in einer Power-Point-Präsentation stetig exponentielle Wachstums-Graphen mit Urlaubsphotos von der Deepwater Horizon ab. „Dass ich BP nicht vorausgesagt habe, ärgert mich im nachhinein sehr.“

Er wird es verkraften, denn Cormick hat einen Job, für den ihn viele Netzwerker beneiden: Wenn im Atalntik eine Bohrinsel untergehe, riefen die Konzernchefs dieser Welt bei ihm an, um Reisen zu buchen, erzählt er mir mit beiläufigem Tonfall: „Besser vernetzt als im Moment war ich noch nie: Jeder Konzern der Welt will meinen Rat, unseren Service und meine Mitarbeiter. Wir lassen die Manager in den Abgrund schauen, und Sie fühlen sich auch noch gut bei dieser Erfahung!“ Er lacht laut und selbstzufrieden. Auch ich schaue in den Abgrund dieser Welt und muss meinerseits erschauern.


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Filed under: Satire deutsch

One Response

  1. […] Satire zu Bergwerkunglück in Chile […]

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